C. Anwendung der BIM-Richtlinie

C.1 Voraussetzungen, Ablauf & Anwendungsgrenzen

Voraussetzung für die Anwendung dieser Richtlinie ist, dass Entscheidungsträger der Immobilienwirtschaft beurteilen können, in welchen operativen und strategischen Prozessen die im Modell enthaltenen Gebäudeinformationen verwertet werden sollen. Hierbei kann es sich um Prozesse rund um Gebäudebetrieb, Transaktion oder Bestandsentwicklungsprozesse handeln. Die Auswahl an Anwendungsfällen und Gebäudeinformationen hängt vom internen Digitalisierungsgrad und dem unternehmerischen Schwerpunkt der Marktteilnehmer ab. Anschließend sollten die Entscheidungsträger mit Hilfe der BIM-Steckbriefe in der Lage sein, den zu beauftragenden BIM-Autoren die Informationsanforderungen ohne spezielles BIM-Knowhow mitzuteilen.

Zur strukturierten Digitalisierung von Gebäudeinformationen, beispielsweise des eigenen Immobilienportfolios, erhalten die Entscheidungsträger mit dieser gif-Richtlinie eine Vorlage, um Gebäudemodellierungen und speziell Gebäudeinformationen von ihren Vertragspartnern systematisch anzufordern. Die Definition der Informationsanforderungen hilft den beauftragten BIM-Dienstleistern, die erforderlichen Gebäudeinformationen im Gebäudemodell zu integrieren. Als BIM-Dienstleister treten in der Praxis vor allem Architektur- und Ingenieurbüros auf. Dem BIM-Management bietet die Vorgabe der Informationsanforderungen die Möglichkeit, die Vollständigkeit der Dateneingabe zu kontrollieren. Die modellierten Gebäudedaten werden später von BIM-Nutzern verwertet. Als BIM-Nutzer tritt das Facility Management, Property Management und das Asset Management in der Nutzungsphase auf. Bei Bestandsentwicklungsmaßnahmen (Refurbishments, Revitalisierungen, Redevelopments) werden diverse Akteure aus der Projektentwicklung ebenfalls zum BIM-Nutzer. Durch die Zentralisierung der Gebäudeinformationen können die Informationen in den einzelnen Betriebs- und Bestandsentwicklungsprozessen weiterführend von Architektur- und Ingenieurbüros, Handwerksunternehmen und anderen Dienstleistern verwertet werden.

Hinsichtlich der Datenverwertung wurde in den Diskussionen der gif-Projektgruppe BIM deutlich, dass bei vielen Anwendungsfällen bereits eine vergleichsweise geringe Menge an Bauteilinformationen einen erheblichen Mehrwert für viele wichtige Entscheidungen und den professionellen Umgang rund um den vorhandenen Gebäudebestand liefern kann. Ein kurzfristiger Erfolgsfaktor bei der BIM-Umsetzung ist daher die gezielte Auswahl der essentiellen Bauteilinformationen.

Allgemein ist bei der Anwendung dieser Richtlinie zu beachten, dass sich die dargestellten BIM-Steckbriefe auf die Gebäudenutzungsarten Büro, Einzelhandel, Lager und Wohnen konzentrieren. Grund dafür ist die übergeordnete Ausrichtung des gif IDA-Standards. Zur vollständigen Automatisierung einzelner Teilprozesse sind weiterhin Modellierungsrichtlinien auszuarbeiten. Praxisteilnehmer können hierzu die vorgenannten Quellen zur Erstellung einer Modellierungsrichtlinie nutzen (siehe Abschnitt B2.).

BIM-Modelle werden mit Hilfe von 3D-CAD Werkzeugen erstellt. Dadurch können automatisch geometrische Bauteilinformationen erzeugt werden. Die geometrischen Informationen wie Bauteillängen, Abstände, Flächen und Volumen sind in mehreren Anwendungsfällen relevant. Es handelt sich allerdings um rohe Bauteilinformationen, die es für den jeweiligen Anwendungszweck weiter zu verarbeiten gilt (z.B. zur Bestimmung der Mietfläche, der energetischen Qualität, der Umbaufähigkeit etc.). Voraussetzung für eine einheitliche Weiterverarbeitung ist die Verständigung hinsichtlich der Modellstruktur und der verwendeten Syntax. Diese Grundlagen werden durch ein BIM-Basismodell gelegt.

C.2 Rechtliche Rahmenbedingungen für BIM

Um die BIM-Anforderungen an die Projektbeteiligten richtig delegieren zu können, empfiehlt es sich, auch entsprechende vertragliche Vereinbarungen zu treffen. Dabei sollten auf Seiten des Auftraggebers vor allem folgende Aspekte Berücksichtigung finden:

  1. Auftraggeber-Informations-Anforderung (AIA)

  • Definition der BIM-Anwendungsfälle und der damit verfolgten BIM-Ziele
  • Beschreibung der Projektorganisation für BIM-Leistungen (Rollen, Verantwortlichkeiten etc.)
  • Definition der Datenumgebung (Common Data Environment), die zum Einsatz kommen soll
  • Ggf. Definition der einzusetzenden Software-Tools und der geforderten Daten- Qualitäten (auch Modellierungsrichtlinien)
  • Diese Definitionen werden in der Regel in der AIA zusammengefasst, sollten aber auch im Vertrag benannt werden.
  1. BIM-Abwicklungsplan (BAP)

  • Darstellung von Prozessabläufen (Prüf- und Freigabeverfahren)
  • Ausweisung von Datadrops (Meilensteinen, Terminablauf)
  • Konkretisierung von Verantwortlichkeiten nach Projektgeschehen (BIM-Manager, BIM-Koordinatoren, etc.)

Der BAP wird im Laufe eines Projekts in der Regel fortgeschrieben und hat bei Beauftragung somit einen vorläufigen Stand. Zu prüfen ist, ob im BAP Festlegungen getroffen werden, die für den Auftragnehmer hinsichtlich seines Leistungsumfangs und damit seiner Kalkulation von Relevanz sind.

3. Besondere Vertragsbedingungen für BIM-Leistungen (BIM-BVB) In den BIM-BVB sollten insbesondere geregelt werden:

  • Vereinbarungen zu Mängelrechten vor der Abnahme (Mängelbeseitigung, Teilkündigung, Ersatzvornahme, u.a.)
  • Bereitstellungsverpflichtung der CDE (Common Data Environment), ggf. auch von spezifischer Software
  • Formerfordernisse in der BIM-Kommunikation (z.B. über BCF-Format)
  • Nutzungsrechte an Daten und Modellen
  • Rangverhältnisse der jeweiligen Modelle, ggf. auch in Bezug auf Pläne
  • Versicherungsschutz

4. Leistungsbeschreibung für BIM-Leistungen und Aufnahme von Positionen im Preisblatt

  • Beschreibung der konkreten BIM-Leistungen nach jeweiligem Leistungsbild im Abgleich mit AIA
  • Erstellung Honorarblatt / Einheitspreisblatt im Abgleich zur Leistungsbeschreibung Hinweis:

Zum Teil sind BIM-Leistungen für Anwendungsfälle und -ziele mit besonderen Leistungen im Sinne der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) bzw. (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil C (VOB/C) verknüpft. Diese sind besonders zu beschreiben und meist gesondert zu vergüten.

C.3 Grundlagen des BIM-Basismodells

Zur Anwendung der Richtlinie ist ein Basismodell zu definieren, das für alle in dieser Richtlinie dargestellten Anwendungsfälle als Grundlage für den BIM-Datenaustausch zur Verfügung stehen muss. Das Basismodell enthält grundlegende Informationen, die für alle Anwendungsfälle zwingend erforderlich sind und ist je nach Anwendungsfällen entsprechend zu ergänzen. Das Level of Geometry (LoG) ist abhängig von den Informationsanforderungen (LoI), dem gewünschten Anwendungsfall und der gewünschten Darstellungsqualität (z.B. bei Visualisierungen). Das Basismodell wird in dieser Richtlinie daher nur in seiner Grundstruktur beschrieben.

Ein Gebäudemodell besteht aus mehreren Bauteilen wie z.B. Wänden, Decken, Räumen, die mit Hilfe von Merkmalen (auch Parameter oder Attribute genannt) näher beschrieben werden. Bauteile (und Räume) werden im Regelfall geschossweise modelliert. Die Summe aller Geschosse wiederum bildet ein Gebäude. Die Gebäude bilden zusammen mit dem Gelände eine Liegenschaft bzw. Wirtschaftseinheit (siehe hierzu auch das Entitätenmodell der gif-IDA [4]). Zusammenfassend werden daher folgende Strukturstufen empfohlen:

  • Liegenschaft/ Wirtschaftseinheit
  • Gebäude und Gelände
  • Geschoss
  • Bauteile inkl. Räume

Bei Anwendung dieser Struktur sind die einzelnen Elemente der Baukonstruktion und technischen Anlagen als Bauteile zu modellieren. Hier gab es in der Vergangenheit auch Ansätze, in denen die technischen Anlagen mit einer eigenen Struktur (System, Anlage, Strang, Komponente) modelliert wurden. Diese Vorgehensweise wurde von der gif- Projektgruppe BIM als unvorteilhaft bewertet.

In der Praxis werden die Anlagen technischer Gebäudeausstattung (TGA) und die baukonstruktiv relevanten Bauteile (Architektur, Tragwerksplanung, Bauphysik) oftmals nicht in einer einzelnen Software modelliert. Bei einem Übergabemodell, d.h. dem BIM- Modell, das zwischen Projektbeteiligten ausgetauscht wird, kann es daher sein, dass die einzelnen Modelle softwareseitig zusammengeführt werden müssen. Beim Zusammenführen ist darauf zu achten, dass die Bauteile sich nicht überschneiden (Kollisionsüberprüfung). Identische Bauteile (z.B. mehrere Außenwände) müssen aneinander anschließen.

Abb. 3: Zusammenführung der Fachmodelle zu einem Gesamtmodell (.bieker AG, 2023)

Beim Ausfüllen der Merkmale ist zu beachten, dass identische Informationen auf unterschiedlichen Strukturstufen sowie bei mehreren Bauteilen oder Räumen platziert werden können. Beispielsweise können Wandfarben, Steckdosen und Bodenbeläge den einzelnen Bauteilen Wand, Decke oder einem Raum zugeordnet werden. Steckdosen könnten auch als eigenständiges Bauteil modelliert werden. Weiterhin können Informationen auf Gebäude- und Bauteilebene definiert werden (z.B. Angaben zum Energieträger). Die Auswahl der Anwendungsfälle entscheidet darüber, welche Bauteile und Merkmale auf welcher Ebene modelliert werden müssen. Diese Syntax wird in der Richtlinie mit Hilfe der Merkmallisten (vgl. C.5) vorgegeben. Durch diese Festlegung können in Folgeprozessen die relevanten Gebäudedaten aus immer den gleichen Quellen entnommen werden. Der Aufbau dieser Merkmallisten (vgl. C.5) ist bei allen Anwendungsfällen gleich und bereits beim BIM-Basismodell zu berücksichtigen. Die Syntax ist bei weiteren Versionen der gif-Richtlinie zum BIM mit der Struktur des gif-IDA abzugleichen und bei Überschneidungen anzupassen.

Das Basismodell besteht aus den Komponenten, die notwendig sind, das Gebäude in seiner Dimensionierung und räumlichen Strukturierung vollständig zu erfassen. Insofern sind alle Geschossebenen einschließlich Bodenplatte, Dach, Außen- und Innenwände mit Öffnungen (Fenster und Türen), Treppen, Aufzüge und die Räume zu modellieren.

Für den konkreten Anwendungsfall (siehe Kapitel C.4 und C.6) müssen ggf. weitere Bauteile modelliert werden. Zum Beispiel erfordert der Anwendungsfall 250 Trinkwasseranalyse zusätzlich die Modellierung des Trinkwassernetzes. In den BIM- Steckbriefen werden solche zusätzlichen Modellierungsanforderungen angegeben.

C.4 Aufbau der BIM-Steckbriefe

Für die Ausarbeitung der BIM-Steckbriefe und Merkmallisten wurden zunächst vorhandene Veröffentlichungen gesichtet und Praxisbeispiele zusammengetragen [18, 33, 34, 10, 11]. Bei der Zusammenfassung stellte sich heraus, dass die definierten Anwendungsfälle in der Praxis bislang nur eine grobe Vorstellung darüber geben, wofür eine BIM-Modellierung erstellt werden soll. Eine detaillierte Betrachtung einzelner Teilprozesse ist notwendig. Im Zuge der Bearbeitung wurde daher entschieden, die vorhandenen Vorlagen zu konkretisieren und die BIM-Anwendungsfälle auf aktuelle und stetig wiederkehrende Fragestellungen im Umgang mit dem Gebäudebestand auszurichten. Die Anwendungsfälle wurden den übergeordneten Kernprozessen zugeordnet. Die Kernprozesse sind durch die gif-Richtlinie zum Immobilien-Daten-Austausch (gif-IDA) bereits definiert (siehe Abb. 4) [33, 9–11, 18].


Abb. 4: Kernprozesse und BIM-Anwendungsfälle nach gif-BIM (eigene Abbildung)

Die Systematik der Nummerierung von Anwendungsbereichen und Anwendungsfällen orientiert sich an den Vorlagen von BIM-Deutschland [35]. Ergänzend zum BIM- Deutschland-Standard werden eigene Bezeichnungen für Anwendungsbereiche und Anwendungsfälle gewählt, die in den Vorlagen vom BIM-Deutschland noch nicht aufgeführt sind. Die Anwendungsbereiche gliedern sich in 000, 010, 020 usw. Die zugehörigen Anwendungsfälle werden auf einer weiteren Ebene (011, 021, 031 usw.) zugeordnet. In Abb. 4 sind alle bereits definierten Anwendungsfälle aufgeführt. Jeder Anwendungsfall wird mit Hilfe eines Steckbriefes näher beschrieben (siehe Abb. 5).


Abb. 5: BIM-Steckbrief (eigene Abbildung)

Jeder Steckbrief enthält zusätzliche Informationen zum fachlichen Prozess (Kurzbeschreibung), eine Einschätzung zum Aufwand für dessen Umsetzung (Skala von 1 (niedriger Aufwand) bis 10 (hoher Aufwand)), zu den typischen Informationsquellen (Input), dem vorgesehenen Output und Hinweise zu den Modellanforderungen und zur Ausarbeitung. Mit Hilfe eines Erstellungsdatums werden die Steckbriefe versioniert. Die aktuellen BIM-Steckbriefe sind als Anlage beigefügt (siehe Anlage E.1). Sie werden im Abschnitt C.6 näher beschrieben.

C.5 Aufbau der BIM-Merkmallisten

Die BIM-Merkmallisten beschreiben den Level of Information (LoI) für den jeweiligen Anwendungsfall. Durch Nutzung der Merkmallisten soll erreicht werden, dass Informationen zu Bauteilen von BIM-Autoren auf immer gleiche Art und Weise erfasst werden. Dies ist die technische Grundlage, um Automatisierungspotenziale heben und den jeweiligen Output (z. B. einen Energieausweis) effizient und mit hoher Qualität erstellen zu können.

Die Anwendungsfälle werden vom Auftraggeber, ggf. in Rücksprache mit dem BIM- Management ausgewählt. Jedem Anwendungsfall sind Bauteile und Merkmale zugeordnet. Im Hintergrund werden die Bauteile und Merkmale in einer Merkmalliste organisiert (siehe Abb. 6).


Abb. 6: Merkmallisten (Auszug, gefiltert; eigene Abbildung)

Die Merkmalliste ist in Anlehnung an die Kostengruppen der DIN 276 aufgebaut. Jedes Merkmal verfügt über eine eigene ID und wird mit einer Kostengruppe, IFC-Klasse, einem Datentyp und einer Einheit beschrieben. Mit Hilfe der E.2 Merkmallisten ist eindeutig definiert, welche Bauteile und Merkmale modelliert werden müssen. Die vordefinierten Merkmale je Anwendungsfall sind als Grundlagen-Merkmale zu verstehen. Eine höhere Spezifizierung des einzelnen Anwendungsfalles ist durch eine individuelle Vorgabe weiterer Merkmale im Praxisfall denkbar.

Ein Merkmal kann mit einer Zahl, einen Freitext, einem Datum, oder vordefinierte Ausprägungen beschrieben werden. Bei Bauteilmerkmalen handelt es sich in der Regel um geometrische Größen (Länge, Höhe, Breite, Fläche, Volumen), Angaben zum Erstellungsdatum, oder spezifischen technischen Eigenschaften (z. B. Brandschutzklassen, Materialität usw.). Erfahrungsgemäß führen strenge Vorgaben bei den Merkmalsausprägungen dazu, dass einheitlich gearbeitet wird. Sie sind für die Kommunikation und spätere Datenauswertung von besonderer Bedeutung.

C.6 BIM-Anwendungsfälle

AWF 010: BIM-Basismodell

Grundlage für alle weiteren BIM-Anwendungen
Das Basismodell ist ein dreidimensionales digitales Gebäudemodell. Es handelt sich um eine geometrische Nachbildung des Gebäudebestands, das üblicherweise auf Basis von Bestandsplänen und/ oder einer 3D-Punktewolke modelliert wird. Das Modell kann zur Ausgabe von Plänen (Grundrisse, Ansichten, Schnitte) und zur dreidimensionalen Darstellung verwendet werden. Es bildet die Basis zur Integration weiterer anwendungsspezifischer Gebäude- und Bauteilinformationen. Die geometrischen Informationen der modellierten Elemente lassen sich als nummerische Werte auslesen/ exportieren. Der Detaillierungsgrad sollte in Abhängigkeit der vorgesehenen Anwendungen bestimmt werden.

AWF 022: Gebäuderessourcenpass

Enthält das BIM-Modell Angaben zu den eingebauten Materialien, deren Qualitäten und Einbauorten, wird damit die Planung des zirkulären Einsatzes von Materialien ermöglicht. Bereits vor Durchführung von Umbau- und Rückbaumaßnahmen können mögliche Abnehmer für Bauteile und deren Wiederverwendung sowie die Wiederverwertung (Recycling) organisiert werden. Auch die Planung einer Revitalisierung wird aufgrund der Verwendbarkeit des Bestandsmodells erheblich erleichtert.

Mithilfe des Anwendungsfalls können wesentliche Anforderungen an das ESG-Reporting (Kreislaufwirtschaft: Ziel 4 der EU-Taxonomie) erfüllt werden.

AWF 023: Energieverbrauchsausweis

Bei der Vermietung oder dem Verkauf einer Immobilie muss laut Gebäudeenergiegesetz ein Energieausweis erstellt werden. In vielen Fällen reicht ein Energieverbrauchsausweis aus. In einem BIM-Modell können die relevanten Daten zur Erstellung eines Verbrauchsausweises verortet und der Energieausweis teilautomatisiert erstellt werden. Es werden nur wenige, spezielle Gebäudedaten benötigt. Werden diese im BIM-Modell verortet, können sie dort fortgeschrieben und gepflegt werden, auch um weiterführende Analysen (z. B. Stranded-Asset Simulationen, individueller Sanierungsfahrplan, CO2e- Ausweis) durchführen zu können.

AWF 024: CO2e-Bilanzierung / CO2e-Ausweis

Eine CO2e-Bilanz von Gebäuden nach gif e. V. wird erstellt, um den ökologischen Fußabdruck des Gebäudes zu ermitteln [36]. Die Bilanzierung ermöglicht eine ganzheitliche Bewertung des Ist-Zustands und bietet eine Grundlage, um einen Pfad zur CO2-Neutralität zu modellieren. Zur ganzheitlichen CO2e-Bilanzierung ist beispielsweise der Abruf von Daten zur Materialität, dem vorangegangen Herstellungsprozess, Energiequellen und - verbräuchen nötig. Die Daten können zentral in einem BIM-Modell gesammelt und bei Bedarf aktualisiert werden.

AWF 031: Machbarkeit PV-Anlage

Die Nachrüstung bestehender Gebäude mit PV-Anlagen gewinnt durch die gesetzten Klimaziele, steigende Energiepreise am Markt und ordnungspolitische Maßnahmen zunehmend an Bedeutung (u. a. Solardachpflichten). Der Aufwand einer Installation und der wirtschaftliche Nutzen sind u.a. von gebäudespezifischen Merkmalen abhängig (Tragfähigkeit des Daches, Ausrichtung, Verschattung, vorhandene Elektroinstallation, Fläche etc.). Aus dem BIM-Modell können die wichtigsten geometrischen und technische

Angaben entnommen werden und damit die technische Machbarkeit datengetrieben untersucht werden.

AWF 032: Wand- / Deckendurchbruch

Der bauliche Eingriff in den Gebäudebestand ist durch die stagnierende Ausweisung von Neubauflächen sowie steigenden Nutzeranforderungen ein Zukunftsthema der Immobilienwirtschaft. Viele dieser Eingriffe erfordern eine Durchführung von Wand-/ Deckendurchbrüchen. Die statische Prüfung und gegebenenfalls Bemessung notwendiger Abfangträger erfordert Informationen über das Tragverhalten vorhandener Bestandsbauteile. Die Verfügbarkeit dieser Angaben im BIM-Modell ermöglicht eine schnelle, valide Ersteinschätzung zur technischen Machbarkeit konstruktiver Umbaumaßnahmen.

AWF 033: Individueller Sanierungsfahrplan

Angaben zum energetischen Gebäudebestand und der Pfad zur Klimaneutralität sind durch diverse Rahmenbedingungen (u.a. EU-Klimaziele, Förderpolitik, alternder Gebäudezustand, CO2-Emissionshandel, ESG, Energiepolitik) zu wichtigen Kenngrößen für Dienstleister, Gebäudenutzer, Investoren und Finanzierer geworden. Die Qualität und der Aufwand eines individuellen Sanierungsfahrplans sind stark von der Datenqualität und der Datenverfügbarkeit abhängig. Die notwendigen Informationen können strukturiert und langfristig in einem BIM-Modell hinterlegt werden.

Beispiel: Sanierungsfahrplan für ein größeres Immobilienportfolio

Ausgangssituation: Die Energiekosten für den Betrieb mehrerer Wohn- und Geschäftshäuser eines Immobilienfonds sind im Zuge der Energiekrise stark gestiegen. Gleichzeitig steigen europaweit die Anforderungen an Treibhausgasemissionen in Gebäuden. Es ist eine Strategie zu entwickeln, um langfristig Stranded-Assets zu vermeiden, den Verbrauch fossiler Energien zu senken und die Nutzer nicht zu überfordern. Die Reihenfolge der Maßnahmen und die Budgets sind festzulegen, zu verteilen und freizugeben. Operativ ergeben sich bei jedem Objekt unterschiedliche technische Voraussetzungen. Die notwendigen Daten liegen an unterschiedlichen Orten. Es werden energetische Bestandsaufnahmen vor Ort durchgeführt. Mehrere Dienstleister an verschiedenen Standorten müssen kurzfristig akquiriert, Termine vereinbart und Gutachten erstellt werden. Alle Beteiligten fordern eine zeitnahe Rückmeldung.

Lösungsvorschlag: In den vorgesehenen BIM-Modellen sind Flächen, das letzte Modernisierungsdatum, Energieträger und -verbräuche sowie idealerweise die energetischen Eigenschaften der einzelnen Bauteile angegeben. Auch Angaben zur Anlagentechnik wie Heizungsanlage, Wärmeverteilung und Stromerzeugung sind enthalten. Datenbasiert lassen sich für eine große Anzahl an Immobilien in kürzester Zeit Schwachstellen identifizieren, grobe Sanierungskonzepte ableiten, neue Gesetzesanforderungen prüfen, Modernisierungskosten ermitteln und Energie- und CO2-Einsparungen definieren. Strukturiert können Daten an einzelne Dienstleister übergeben und Kommunikationsaufwand verringert werden.

Abb. 7: Beispiel für die Verwendung des AWF 033 (eigene Abbildung)

AWF 040: Visualisierungen

Verwendung des Gebäudemodells als Geometrie-Vorlage zur Erstellung von Visualisierungen für Exposees, sonstige Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Präsentationen. Wird das BIM-Modell als Grundlage für die Visualisierungen verwendet, können auch Varianten und Veränderungen effizient dargestellt werden. Bei Umbauplanungen ist sichergestellt, dass Visualisierungen immer auf Basis der tatsächlichen Planung erfolgen.

Beispiel: Visualisierungen eins Bestandsgebäudes zur Neuvermarktung

Fragestellung: Ein älteres Objekt soll vermarktet werden. Der aktuelle Gebäudezustand erfordert viel Fantasie bei den zukünftigen Nutzern und Eigentümern. Fotos wären keine Hilfe dabei, die Fantasie der Interessenten zwecks Repositionierung zu wecken. Ansprechende Visualisierungen sollen erstellt werden, um den potenziellen Mietern und Investoren eine Vorstellung des neuen Nutzungskonzeptes zu liefern. Die Aufgabe der Visualisierer ist es, die Vision einer nachhaltig ansprechenden Architektur zu veranschaulichen.

Lösungsvorschlag: Aus den vorhandenen BIM-Modellen sind Angaben zur Geometrie, der Fassadengestaltung und Innenausstattung (Bodenbeläge, Wandbeläge, Lichtquellen etc.) angegeben. Die Visualisierer benötigen Angaben vom Architekten, welche gestalterischen Veränderungen vorgenommen werden sollen. Die Architekten sprechen die Veränderungen vorab mit den Projektentwicklern durch. Um die Modellierung nicht doppelt durchzuführen, erhalten die Visualisierer nach Freigabe konkrete Vorgaben, wie das neue Raumkonzept und die Fassaden in den einzelnen Gebäudeabschnitten aussehen soll. Die Projektentwickler erhalten in kürzerer Zeit vertragskonforme Visualisierungen.

Abb. 8: Beispiel für die Verwendung des AWF 040 (eigene Abbildung)

AWF 220: Ausschreibung und Vergabe von Reinigungsarbeiten

Im Gebäudebetrieb fallen Reinigungsarbeiten für Böden und anderen Bauteilen an. Das BIM-Modell kann zur Ausschreibung und Vergabe von Reinigungsarbeiten verwendet werden, denn es bietet die Möglichkeit zur Ausgabe von Flächenaufstellungen bis hin zum vollständigen Leistungsverzeichnis. Betrachtet werden vorliegend nur Innenflächen eines Gebäudes.

AWF 230: Wartungs- und Prüfkalender

Die Wartungen und Sachverständigenprüfungen bei gebäudetechnischen Anlagen sind aus gesetzlichen und privatrechtlichen Gründen im Rahmen der Betreiberverantwortung für eine Immobilie zu dokumentieren. Durch den Eintrag der erforderlichen/notwendigen (Soll) und tatsächlich durchgeführten Wartungen/ Sachverständigenprüfungen (Ist) kann diese Verpflichtung kontrolliert werden. Die Daten können in einem BIM-Model zentral dokumentiert und später automatisiert abgeglichen werden. Neben kalendarischen und tabellarischen Auswertungen ermöglicht das BIM-Modell darüber hinaus auch die räumliche Zuordnung der Anlagen durch Ausgabe von Plänen.

AWF 240: Messung & Sensorik: Heizkostenermittlung

Verwendung des Modells zur Erstellung, Prüfung und Übernahme des Messkonzeptes zur Erstellung der jährlichen Heizkostenabrechnung und der unterjährigen Verbrauchsinformation ggü. dem Nutzer/ Mieter. Dazu können im BIM-Modell Parameter für das Messkonzept (Metrik der Abrechnung, Verknüpfung der einzelnen Messstellen) hinterlegt werden.

Die Aufstellung eines Messkonzeptes oder die Prüfung eines zu übernehmenden Messkonzeptes wird durch die Verwendung des BIM-Modells erleichtert und robuster gegenüber Fehlern. Die benötigten Daten müssen nicht mehr aus diversen Quellen, Plänen und Texten zusammengestellt werden.

AWF 250: Trinkwasseranalyse

Die regelmäßige Überprüfung der Trinkwasseranlagen auf Verkeimung und Verschmutzung stellt eine wesentliche Pflicht vieler Immobilieneigentümer dar (siehe AWF 230). Das BIM- Modell kann zur Abbildung der Trinkwasseranlage und deren Abbildung der regelmäßigen Analyse verwendet werden.

Die Integration der Trinkwasseranlage im BIM-Basismodell ermöglicht die zügige Darstellung von Übersichten und tabellarischen Auswertungen. Die Identifizierung von Gefahrenpunkten wird erleichtert.


Abb. 9: Visualisierung auf Basis eines BIM-Modells (Goldbeck, 2023)

C.7 Abrufbarkeit des gif-BIM-Standards

Der vorliegende Richtlinientext ist als PDF-Dokument erhältlich. Die einzelnen Steckbriefe und Merkmallisten stehen online in der gif-Datenbank zum Download zur Verfügung. Die Richtlinie inklusive Steckbriefe und Merkmallisten ist in der gif-Knowledge Base unter www.gif-BIM.org zu finden. Auf der Website besteht die Möglichkeit, nach Anwendungsfällen zu suchen, die relevanten Anwendungsfälle auszuwählen und die zugehörigen Merkmale anwendungsbezogen anzuzeigen (vgl. Abb. 10). Für registrierte Anwender besteht außerdem die Möglichkeit, die Merkmallisten zu exportieren und für eigene Zwecke zu nutzen.


Abb. 10: Abrufbarkeit BIM-Anwendungsfälle, Steckbriefe, Merkmallisten (eigene Abbildung)

Die BIM-Merkmallisten sind unter dem Reiter „Datenfeld-Katalog“ zu finden. Im Feld „Anwendungsfall“ werden die relevanten BIM-Anwendungsfälle ausgewählt.
Über den Export-Button kann die Liste an erforderlichen Bauteilmerkmalen als Tabelle exportiert und mit gängigen Office-Produkten geöffnet werden.
Über den Button „Katalogsuche“ kann gezielt nach Bauteilmerkmalen oder anderen Feldern gesucht werden.